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Nachdem er mehrere Jahre als Webanalyst für Pharmaunternehmen gearbeitet hat, eröffnete Matthias Bettag die deutsche Vertretung des Consultingunternehmens Semphonic. 15 Monate später wurde die Firma von Ernst & Young übernommen. Seitdem arbeitet Matthias als unabhängiger Consultant, der seine Zeit mit den unterschiedlichsten Tätigkeiten verbringt. So hält er z.B. Vorträge, unterrichtet an der Universität und als Berater.

Was sind Deine derzeitigen Aufgaben?

Momentan organisiere ich Konferenzen für Xchange und Emetrics in Deutschland. Ich gebe auch im Rahmenl des „Webanalyse“-Studiengangs Online-Unterricht an der University of Britsh Columbia (UBC) und bin Country Manager der DAA. In der DAA versuche ich die deutsche Gemeinde in diesem Bereich weiterzubringen. Wir haben den DAALA (Digital Analystics Association Late Afternoon) ins Leben gerufen und ich versuche monatlich einen in Berlin abzuhalten und dieses Event auch nach Hamburg, München, usw. zu bringen. Den Namen DAALA hat sich übrigens das Team von AT Internet einfallen lassen, wenn ich das hinzufügen darf.

Daneben führe ich auch Webanalyse-Zertifizierungen durch und bin Country Manager von Mind your Privacy, einer Unterabteilung von Mind Your Group in Spanien. Das ist so weit ich weiß die einzige Agentur in Europa, die Consulting für das Thema Datensicherheit aus Sicht der Webanalyse anbietet. Ich vertrete das Unternehmen in Deutschland.

Bisher habe ich es geschafft das mit meinen anderen Tätigkeiten im Consulting und in Sachen Digital Analytics unter einen Hut zu bekommen.

Was sind Deiner Meinung nach die Herausforderungen, die den Markt momentan beeinflussen?

 Ich denke eine große Herausforderung für Unternehmen ist es, sich auf ihre Strategie zu konzentrieren. Durch meine Tätigkeit habe ich einen aufmerksamen Blick auf den Markt, um über die neuesten Trends informiert zu bleiben, wiederkehrende Probleme zu verstehen und Themen zu erkennen, die wichtig werden. Ich denke eine große Herausforderung für Unternehmen ist es, sich auf ihre Strategie zu konzentrieren.

Viele Firmen kommen mit klaren Fragen zu uns: „Ich will SEO nutzen.“, „Ich brauche mobile analytics“, „Ich will mein PPC optimieren“, etc. Oft steckt hinter diesen klaren Anforderungen aber keine übergreifende Strategie. Ich sehe, dass nur wenig Arbeit in eine Firmenstrategie gesteckt wird, aber viel in die unterschiedlichen Bedürfnisse einzelner Teams. Wenn es eine klare Strategie gibt, dann kann man viel effektiver mit jedem Kanal arbeiten und seine Performance messen. Gleichzeitig ziehen damit alle Teams am selben Strang.

Neue Technologien bringen neue Herausforderungen mit sich: Big Data, CRMs, Datenbanken … Wir müssen in der Lage sein, eine Verbindung zwischen dem Nutzerverhalten und den verschiedenen Datenverarbeitungssystemen herzustellen.

Allerdings kommen viele Firmen gar nicht auf die Idee das Onlinegeschäft in den Rest der Abläufe mit einzubinden. Online und Offline arbeiten bereits zusammen, nutzen die Online-Erkenntnisse aber nicht um das Geschäft zu stärken. Firmen haben sowohl online als auch offline viele Berührungspunkte zu ihren Kunden und es wäre absurd, diese Berührungspunkte nicht in einen umfassenden Plan einzubauen. Ich habe erkannt, wie schwierig das zu verwirklichen ist und dass es dabei manchmal vor allem davon abhängt, ob man die Firmenleitung davon überzeugen kann.

Wie bist Du Webanalyst geworden?

Ich habe bei Schering, einem Pharmahersteller, als Webanalyst zu arbeiten angefangen. Das war 2004. Das hat mein Interesse an der Auswertung von Daten geweckt. Ich habe in einer kleinen IT-Abteilung gearbeitet und hatte viel mit dem Marketing zu tun, wenn es um die Entwicklung der Websites ging. Da habe ich mich zum ersten Mal zwischen Marketing und IT wiedergefunden! J

Schering wurde von Bayer gekauft, die eine „globale e-Marketing“-Abteilung gründeten, um alle Ableger von Bayer Pharma zu unterstützen: in Asien, Europa und Amerika. Unser Ziel war es bessere Prozesse und Standards einzuführen und dafür ein einzigartiges CMS und eine neue globale technische Architektur einzurichten.

Wir migrierten für diese riesige Architektur hunderte von Websites und es war meine Aufgabe die Migration zu koordinieren. Ich habe mich für den Traffic, die Performance und die Ziele jeder Site interessiert. Das hat es uns ermöglicht zu entscheiden, welche Sites weiter bestehen bleiben sollten und welche nicht.

Mein zweites großes Aufgabengebiet beinhaltete eine weltweite Neuaufstellung der Webtrends-Plattform auf SaaS. Wir haben Standards und Report-Templates entworfen, mit denen man leicht auf Informationen zugreifen konnte. Diese neue Webanalysestruktur war um einiges hilfreicher für das Marketingteam als die vorherige, denn sie ermöglichte es dem Team unabhängiger zu handeln und bot auch mehr Möglichkeiten zur Personalisierung.

Nach 4 Jahren bei Bayer wollte ich mich beruflich verändern und mich mehr auf die Analyse konzentrieren. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits Country Manager für die DAA in Deutschland und hatte viele Kontakte sowohl in die USA als auch in Europa. Ich kannte Gary Angel von Semphonic und als er hörte, dass ich bei Bayer aufhörte, schlug er vor, dass ich für ihn ein Europa-Büro in Berlin aufmache. Ich kümmerte mich um die europäischen Kunden und wichtige Accounts mit strategischen Projekten in Amerika, die sich mit Problemen beschäftigten, die über einzelne Websites hinausgingen.

Ein paar Beispiele: Wie macht man die Analyse zur Grundlage aller Entscheidungen in einem Unternehmen, wie integriert man alle Systeme, die etwas mit dem Web zu tun haben ohne nur Daten-Silos anzulegen? Wie richtet man ein zentrales System ein, bei dem jeder einzelne darauf zugreifen kann, was er braucht um einen Überblick zu bekommen?

Dafür musste man manchmal die Struktur des Unternehmens an sich ändern.

Nach 15 Monaten wurde Semphonic von Ernst & Young gekauft, aber die Übernahme bezog sich nur auf die Vereinigten Staaten. Ich habe mich dagegen entschieden mit in die USA zu gehen und bin seither unabhängig geblieben.

Was war Dein größter Erfolg als Webanalyst?

Bei Bayer war es die Einführung einer neuen Webanalyseplattform mit allen Report-Templates und Prozessen und das anschließende Training der einzelnen internationalen Vertretungen. Damit hatte das Marketing-Team verlässliche Tools, die verwendet werden konnten um ihre Websites zu verwalten und zu messen sowie dabei die Geschäftsziele von allen diesen Sites im Hinterkopf zu behalten.

Bei Semphonic war es mein Ziel das berliner Büro auszubauen, was sehr gut geklappt hat. Ich habe mehrere Projekte in Europa geleitet und verschiedene Partnerschaften aufgebaut. Wir haben auch zum ersten Mal die Xchange-Konferenz in Europa abgehalten, die ein großer Erfolg wurde. Leider sind die Zyklen sehr lang, vor allem bei komplizierten Projekten und in einem Jahr konnte ich nur einen Teilerfolg erreichen. Dennoch habe ich meine Markenbekanntheit erhöht, obwohl es in dem Bereich in Deutschland einen starken Wettbewerb gibt.

Welche Stolpersteine sind Dir in Deiner Karriere als Webanalyst begegnet?

Die Validität der Daten und deren Kontext sind zwei essentielle Konzepte!Die Validität der Daten und deren Kontext sind zwei essentielle Konzepte! Wie können alle Daten effizient genutzt werden? Welche Analysen braucht man für effiziente und effektive Optimierung? In der Analyse sind viele Dinge möglich aber führen sie auch zu Ergebnissen?

Das bringt uns zurück zur Frage der Priorisierung der Unternehmensziele und wie man sie in unterschiedlichen digitalen Kanälen misst. Auch wenn es ein funktionierendes Modell gibt, kann es sich nach ein paar Monaten wieder ändern. Deshalb muss ein neues Modell gefunden werden, das zum Kontext passt.

Wenn ich zum Beispiel weiß, dass mein Auto 120 km/h schnell fahren kann, ist das an sich nicht schlecht. Wenn aber alle anderen Autos 160 km/h schnell sind, dann ist mein Auto nicht so gut.

Wir müssen sicher sein, dass die Daten im richtigen Kontext verwendet werden, dass die Zahlen stimmen und dass die Messergebnisse etwas für den Firmenerfolg bringen. Es ist die gleiche Geschichte wie in oben genanntem Beispiel, abgesehen davon, dass es um einiges komplizierter ist und die Werkzeuge zunehmend vielseitiger werden!

Wie Denkst Du sieht die Zukunft der Webanalyse aus?

Ich denke die Webanalyse hat keine große Zukunft, dafür aber die digitale Analyse! Das Web ist nur eine Plattform wie andere auch. Mobile, social, predictive und alle anderen Plattformtypen, die bis jetzt noch nicht als digitale Systeme gesehen werden, sollten in einem größeren Zusammenhang gesetzt werden. Man denke an Google Glass und das ‚Internet der Dinge‘! Die Art und Weise in denen Websites gemessen werden, wird sich ebenfalls verändern und wir müssen einen Weg finden, wie sich Multi-Channel, Multi-Devices und Multi-Business messen lassen. Im traditionellen Marketing ist das schon lange der Fall.

Ich denke außerdem, dass die Automatisierung immer weiter zunimmt: PPC, SEO, etc.

Um diese Informationen auszuwerten brauchen wir Menschen, die mit den Maschinen umgehen können. Aber die Werkzeuge, die zur Verfügung stehen, werden immer intelligenter und fangen jetzt auch an, den Kontext zu verstehen.

Wir haben immer personalisiertere Systeme wie Mobiltelefone. Damit ergeben sich Fragen zur Privatsphäre, aber auch neue Möglichkeiten für die Analyse.

Wie lässt sich das alles in die richtige Perspektive setzen, um die User Journey als Ganzes zu beschreiben? Hier haben wir es mit der gleichen Art von kultureller Revolution zu tun wie wir sie in den 1990ern schon einmal erlebt haben, als Leute, die mit HTML gearbeitet haben, sich an die ersten CMS und dynamischen Sites gewöhnen mussten. Heute muss man sich nicht mit der Integration von Websites sondern mit dem Konfigurieren von Templates auskennen.

 Ganz ähnlich dürfen sich heutzutage Webanalysten nicht nur auf den Web-Support beschränken.Ganz ähnlich dürfen sich heutzutage Webanalysten nicht nur auf den Web-Support beschränken. Ihr Mehrwert ist die Fähigkeit zu analysieren, zu segmentieren und das größere Ziel eines Unternehmens zu verstehen. Von da aus können sie beginnen zu optimieren und zu personalisieren.

In naher Zukunft werden sich viele Dinge ändern! Augmented Reality wie sie heute existiert, wird sich weiter verstärken, Maschinen werden noch mehr miteinander reden und zu einer Zukunft führen, in der Kommunikation auf Wegen möglich ist, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Welchen Rat würdest Du rückblickend jemandem geben, der heute als Webanalyst anfängt?

 Software ist wichtig, aber es ist auch notwendig das größere Bild zu erkennen.Gehen Sie sicher, dass Sie das Geschäft verstehen und nicht nur die Software. Software ist wichtig, aber es ist auch notwendig das größere Bild zu erkennen. Sie müssen offen sein und sich nicht auf einen Kanal oder eine Plattform beschränken.

Nehmen Sie an Workshops und Versammlungen Teil und versuchen Sie zu verstehen, wie die Leute arbeiten, die den gleichen Job in anderen Firmen und Ländern machen. Das ist auch eine großartige Möglichkeit ein Gespür für die Maturität Ihrer Kollegen zu bekommen. Sie lernen viel, wenn Sie sich mit anderen austauschen. Unser Markt boomt momentan, was zur Folge hat, dass die Mitbewerber relativ offen über Ihre Projekte reden. Austausch und gemeinsame Projekte sind möglich. Die Gemeinde ist klein, was bedeutet, dass es sehr einfach ist, die wichtigsten Vertreter kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen.

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