Sylvain-Leauthier-Final

Sylvain Léauthier ist Web & Social Media-Spezialist an der Katholischen Universität Lyon. Nach seinem Kommunikations- und Webmarketing-Studium hat er als Copywriter gearbeitet. Danach widmete er sich komplett der digitalen Welt und fing bei der Katholischen Universität Lyon an. Er hat sich die Zeit genommen, unsere Fragen zu beantworten.

Was ist die wichtigste Fertigkeit, die jemand wie Du in Deinem Beruf braucht?

Kommunikation – und besonders die Fähigkeit sich schriftlich gut auszudrücken – ist in der digitalen Branche meiner Meinung nach unverzichtbar. Wir konzentrieren uns oft auf die Programme (und mit Vorzug auf die allerneusten), aber man darf nicht vergessen, dass es auf die Botschaft ankommt – egal welche Website, welche Dienstleistung oder welche Ziele.

Auch außerhalb der Berufe, bei denen es zur Kernkompetenz gehört (Webtexter, Redakteure, Copywriter, …), ist Schreiben ein wichtiger Bestandteil: SEO, Community-Management, Nutzbarkeit von Websites und Apps, … und auch bei Web Analytics. Sie ist (zumindest teilweise) dafür da, zu messen, welche Wirkung die redaktionellen Aktivitäten haben.

 

Erzähl uns ein wenig über das digitale Angebot der Katholischen Universität Lyon.

Unser digitales Ökosystem besteht aus unseren Websites: die Website der Katholischen Universität Lyon und 13 andere Websites für unsere Einrichtungen, Institute und Labors. Diese richten sich hauptsächlich an potentielle und aktuelle Studien-Bewerber.

Unser Trafficvolumen liegt zwischen 70.000 und 80.000 Visits pro Monat, das sind zwischen 200.000 und 300.000 Pageviews. Diese Sites bilden die Basis unserer digitalen Präsenz.

Zur Kundengewinnung verwenden wir verschiedene Techniken: Natürlich SEO (ich verwende das SEMRush-Tool um Keywords zu überwachen) und AdWords-Kampagnen (Display-Anzeigen und Affiliations-Kampagnen nutzen wir aber nicht mehr).

Zur Steigerung der Nutzertreue verwenden wir hauptsächlich E-Mail-Kampagnen und die sozialen Netzwerke. Für unsere Studenten gibt es eine Studentenwebsite (mit monatlich 200.000 Pageviews bei 20.000 Besuchern). Sie bietet verschiedene Inhalte und Services an, sowie ein Portal zu allen Ressourcen, die man für die Verwaltung und das Studium braucht (wichtige Dokumente, Online-Seminare, usw.).

 

Was sind die Herausforderungen, wenn man eine digitale Plattform für Studenten betreibt?

Der Traffic auf Websites im höheren Bildungswesen ist sehr speziell und vor allem periodisch sehr variabel: Während der Woche zeigen sich Spitzen, am Wochenende Flauten. Von Januar bis Juni gibt es viel Traffic, wenn die Einschreibung beginnt. Dann eine Spitze im September und Oktober, wenn das Semester wieder losgeht und wenig Traffic in den Sommermonaten.

Außerdem stellen wir fest, dass die Besucher auf unseren Sites nicht sehr loyal sind: Wenn sich Schüler bei uns einschreiben wollen, dann besuchen sie die Site vielleicht 3, 4, 5 oder 6mal innerhalb weniger Monate, bevor sie sich für einen Studiengang entscheiden. Sobald sie sich eingeschrieben haben, interessieren sie sich nicht mehr für die Website (außer wenn das neue Semester anfängt).

Auch wenn der Traffic deshalb von Natur aus nicht sehr loyal ist (mit Ausnahme für einige sekundäre Ziele), birgt die Website eine Herausforderung, denn es geht um viel: Die Schüler entscheiden sich für eine Ausbildung, die einen wichtigen Einfluss auf ihr Leben haben wird. Man sucht sich sein Studienfach schließlich nicht so einfach aus wie ein neues Hemd!

 

Wie wirken sich diese Besonderheiten auf die Analyse-Ergebnisse aus?

Das merkt man schon deutlich, da die Besuchdauer recht lang (5 bis 6 Minuten) und die Bounce-Rate recht niedrig ist (unter 50 %). Die Visits zeigen also hohes Engagement. Außerdem gibt es wenig Traffic von Smartphones, da die meisten unserer Besucher einen Computer nutzen, typischerweise bei sich zu Hause. Gesucht wird dabei nach Informationen über das Fachgebiet und das Studium selbst.

Im Studentennetz sind die Eigenschaften des Traffics anders. Da die Studenten dieses als wichtiges Tool nutzen, ist der Traffic loyal und regelmäßig. An diesen Rhythmus muss man sich bei der Erstellung von Content anpassen.

 

Wie sieht der Wettbewerb zwischen den Hochschulen aus?

Der Wettbewerb unter den Hochschulen ist sehr stark, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Es gibt hier große Unterschiede je nach Kultur der einzelnen Einrichtungen, vor allem zwischen privaten und staatlichen Hochschulen. Aber allen ist klar, um was es geht und hat gelernt damit umzugehen.

Auf der digitalen Ebene geht es vor allem darum, neue Besucher zu gewinnen, aber auch um Conversions. Auch wenn für die Auswahl eines Studiums viele Faktoren eine Rolle spielen. Auch solche, die wir nicht beeinflussen können, wie Ortsnähe, Empfehlungen in Foren, von Freunden und Verwandten, etc.

Trotzdem arbeiten wir mit unseren Kollegen aus der Branche zusammen. Wir haben eine sehr aktive Community mit dem Namen „webuniv“, in der über 250 Fachleute aus privaten und staatlichen Hochschulen zusammenkommen.

 

Wie nutzt Ihr die Daten aus der Web Analyse?

Wir verwenden Web Analytics ganz klassisch: wir identifizieren relevante KPIs für festgelegte Ziele, legen spezifische Konfigurationen an (Tagging für Quellen, Ziele, Conversion Funnels, benutzerdefinierte Metriken), interpretieren die Daten und erstellen Reportings.

Die Kommunikations-Verantwortlichen der verschiedenen Studiengänge fragen uns oft nach Zahlen zu Traffic und Kampagnen-Ergebnissen. Manche Kollegen haben einen direkten Zugang zu den Daten, sind also recht unabhängig und benötigen daher eine Schulung für das Tool. Andere brauchen nur punktuell ein paar Informationen. In dem Fall kümmere ich mich um das Reporting, da sie nicht die Zeit haben, sich in das Tool einzuarbeiten.

Dieses Jahr war es eines meiner Ziele, ein personalisiertes Dashboard für die Kommunikationsverantwortlichen zu erstellen. Diese enthalten relevante Kennzahlen, die wir zuvor gemeinsam festgelegt haben. Außerdem macht es mir Spaß manuelle Reports zu erstellen, für die man Daten aus verschiedenen Tools zusammenführen muss, auch wenn ich dafür mehr Zeit benötige.

 

Wie stellst Du Dir Deinen Beruf in 10 Jahren vor?

Ich bin in solchen Vorhersagen nicht besonders gut, aber ich kann sagen, welche Entwicklungen in unserem Berufsfeld notwendig sind. Wir haben in der digitalen Branche ein gewisses Status-Quo-Denken, bei dem es nur um Formate und Tools geht, was letztendlich nirgendwohin führt. Wir müssen von dort den Sprung zu einer Strategie schaffen, die permanent wandlungsfähig ist.

Dabei sollte das Ziel sein, die richtige Botschaft zur richtigen Zeit an die richtige Person zu übermitteln, statt nur Präsenz zu zeigen oder Ergebnisse zu veröffentlichen.

Anders ausgedrückt: Man darf sich nicht damit zufriedengeben, Informationen zu veröffentlichen, eine neue Website zu starten oder etwas auf Facebook oder Twitter zu posten. In der Content-Strategie müssen auch andere Elemente eine Rolle spielen. Besonders die Qualität der Botschaft, also Content, dessen Timing auf die Zielgruppe abgestimmt ist.

Wir sollten nicht länger in Formaten denken, sondern in „Besucher-Strömen“. Denn das ist das, worum wir uns heute kümmern. Wir bauen Websites nicht mehr so, wie wir Häuser bauen. Wir erkennen, wo die Besucherströme hingehen und versuchen, sie zum passenden Content zu lenken. Diese Herangehensweise umfasst die Bewertung des Inhalts und damit auch eine gewisse Analysekultur.

Natürlich können wir nicht alles messen. Für mich ist die Herausforderung folgende: Wir müssen die Analyse für all diejenigen zugänglich machen, die Content erstellen und veröffentlichen. Damit können sie ganz leicht bestimmen, welchen Einfluss ihre Maßnahmen haben. Das bedeutet natürlich, dass die Produzenten von Content einen besseren Zugriff auf diese Daten brauchen. So wie wir sehen, wie oft unsere Tweets geteilt oder favorisiert wurden. Dafür braucht es eine bessere Integrierung der Webanalyse in das CMS.

 

Was sind für Dich die 3 wichtigsten Eigenschaften, die ein Fachmann der digitalen Welt haben sollte?

1)      In der digitalen Branche braucht man, denke ich, vor allem Schreibtalent. Die Tools zu kennen, ist auch wichtig, aber steht für mich hinten an, weil man das leicht lernen kann. Außerdem verändern sich die Werkzeuge unablässig. Daher ist es weniger wichtig ein bestimmtes Werkzeug zu beherrschen, sondern unabhängig vom Tool, die richtige Perspektive zu haben und relevante Ziele und Methoden aufstellen zu können, die funktionieren.
2)      Außerdem braucht man mathematische Intelligenz, aber auch das Wissen, wie man Metriken in die richtige Perspektive setzt. Ich habe schon oft Präsentationen gesehen, in denen so etwas stand wie: „Ziel: 10.000 Fans auf unserer Facebook-Seite“ oder „100.000 Pageviews für unsere Site“. Aber was ist das Ziel von 10.000 Fans oder 100.000 Pageviews? Das ist kein echtes Ziel. Es ist wichtig, was diese 10.000 Fans tun (sich anmelden, etwas kaufen, die Seite oder ein Event besuchen). Man darf Metrik und Ziel nicht verwechseln.
3)      Ein weiterer Punkt: Es ist sehr schwierig bestimmte Dinge zu messen. Wie können wir messen, wie effizient unsere Inhalte sind? Die Zahl der Pageviews ist kein guter Indikator, weil das nur die Verbreitung des Inhalts bewertet (auf sozialen Netzwerken, SEO, auf der Site), die Qualität des Titels, der Tagline und der Grafik (was im betreffenden Fall sichtbar ist, bevor man auf die Inhaltsseite klickt) und nicht den Inhalt selbst. Die Zahl der Pageviews ist einfach die Zahl, wie oft eine Seite geladen wurde. Dafür muss man gar keinen Blick auf den Inhalt werfen!

 

Wie kann man die Wirkung der redaktionellen Inhalte dann messen?

Plattformen wie Medium oder Reports wie ScrollView bei AT Internet sind sehr interessant, weil sie sicher die relevantesten Indikatoren dafür liefern, welche Qualität ein bestimmter Inhalt hat.

Ich könnte noch viele andere Beispiele anführen: eine signifikante Bounce-Rate wird immer als schlechtes Zeichen gewertet. Dabei hängt es aber davon ab, wie gut und wie stark der Inhalt beworben wird und was dieser Inhalt überhaupt ist. Wenn Sie einen Blog haben, dann ist die Bounce-Rate sehr hoch, weil Besucher über soziale Netzwerke zu Ihnen kommen, den Eintrag lesen und dann wieder gehen. Bedeutet das, dass der Inhalt des Eintrags schlecht ist? Nein.

Außerdem denke ich, dass wir die Art und Weise hinterfragen müssen, wie bestimmte Metriken berechnet werden. Ein wiederkehrender Besucher wird bei Google Analytics (ausschließlich auf Basis des Cookies _utma oder _ga) nicht auf die gleiche Weise berechnet wie in der Lösung von AT Internet (ebenfalls auf Basis eines Cookies, aber für eine bestimmte Zeitspanne im Vergleich zu einem vorangegangenen Zeitraum). Aber dieser Indikator scheint auf den ersten Blick das gleiche zu bedeuten.

 

Vielen Dank an Sylvain, dass er seine Erfahrungen mit uns geteilt hat. Sie finden Sylvain Léauthier auf Twitter @sleauthier oder auf seinem französisch-sprachigen Blog Communications et internet.

 

Author

Editorial Manager Bernard ist verantwortlich für die Contentstrategie der Marke AT Internet. Er hat fast 10 Jahre Erfahrung bei Marketingtexten und als technischer Redakteur für die Softwareindustrie. Als Textspezialist arbeitet Bernard mit vielen verschiedenen Medien, unter anderem Blogs, White Papers, Interviews, Business Cases, Pressetexte, Infografiken, Videos, etc. Seine Spezialgebiete? Natürlich Marketing und Digitale Analyse!

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